Gemeindesaal Arlesheim
Projektwettbewerb, Basel, 2018
Studio Kiepenheuer, Schwarzburg Architekten
Das Areal liegt gerade ausserhalb des historischen Dorfkernes, dort wo zum Ende des 19. Jahrhunderts begonnen wurde die Siedlungsstruktur mit freistehenden Einzelbauten zu erweitern, in Richtung der sich weiter unten im Tal an Birs und Bahnlinie ansiedelnden Textilfabriken. Die gründerzeitliche Villa Stollenrain ist eine Zeugin der Industrialisierung. Sie erinnert die Menschen an die Geschichte des Ortes, an ihre Geschichte. Das ist wertvoll. Ihre architektonische Qualität ist nicht schlecht, sie ist besser als die so mancher Neubauten. Ihre derzeitige Nutzung durch Wohngruppen behinderter Jugendlicher ist Teil des sozialen Spektrums.
Die Villa sollte sanft saniert werden, ihre Nutzung erhalten, die sie umgebenden alten Bäume bewahrt, als Bereicherung für den Ort und für das Leben. Der neue Gemeindesaal bildet mit seinem stattlichen Volumen einen neuen Hintergrund für die historisch gewachsene Struktur entlang des Stollenrains und fügt sich in diese ein. Durch die Gliederung der Baumasse in zwei versetzte Körper verbleibt Raum für Bäume und Grün. Beim Eingang des Saales, gesäumt vom neuen Gebäude, der alten Villa und dem Pfeffingerhof entsteht wirklich ein Hof, eine fast ebene Fläche zum Verweilen unter dem Schatten geometrisch gepflanzter Platanen.
Doppelraumfigur – Gemeindesaal und Foyer
Der grosse Gemeindesaal und sein Foyer verschränken sich an ihrer jeweiligen Längsseite. Vier breite Doppeltüren verbinden sie. Während das Foyer vertikal zwei Geschosse einnimmt, hat der Saal eine Höhe von drei Geschossen. Hohe Unterzüge überspannen beide Räume. Dazwischen möglichst grosse Glasfenster, mit denen sich der Saal nach Nordosten, zu ruhigem Licht und viel Grün öffnet, das Foyer nach Südwesten, zum neuen Platanenhof und einem vom Dorf kommenden Weg. Diese Aussenräume, der Eingang und das Foyer liegen auf einer Ebene, werden zu einem Kontinuum, das in den Saal übergeht. Saal und Foyer sind grosse, klar geschnittene und neutrale Räume für eine grösstmögliche Vielfalt an Nutzungen.
Die Bühne und sämtliche dazugehörigen Räume sind 85 cm höher angeordnet als der Boden des Saales und des Foyers. Der vordere Bereich der Bühne ist höhenverstellbar und kann durch eine Hebebühnenfunktion auch für Materialtransporte genutzt werden. Über die nordöstliche Anlieferung, welche an die Brachmattstrasse angeschlossen ist, können die Bühne und alle Hinterbühnenräumlichkeiten ebenerdig bedient werden. Der Warentransport zur Küche erfolgt auf direktem Weg über eine Hebebühne. Durch die Anordnung der Küche neben dem Saal und dem Foyer können beide Säle unabhängig vor oder während eines Anlasses bedient werden. Der Saal verfügt über einen grosszügigen Stauraum an seiner Rückseite, welcher je nach Nutzungsart diskret als Stuhllager oder als erweiterbarer Teil des Saales genutzt werden kann. Ein direkter Zugang von aussen
Ein Hybrid – Monument und Stadtgewebe
Ein öffentliches Gebäude für den Gemeindesaal bildet die Grundstruktur. Massive Wände und monumentale Fenster zeigen seinen Status nach aussen und geben die wichtige Funktion für die Gemeinde zu erkennen. Der private Wohnungsbau macht sich diese feste Struktur zu Nutze, symbiotisch wächst er in die Höhe. Ein leichter Holzbau, ökologisch und ökonomisch, schnell erstellt, wohnlich und warm. Schmale Fenster bieten Geborgenheit, aber in französischem Format, hoch, für viel Tageslicht, mit eleganten Austritten auf kleine Balkone. Auch die Dächer werden genutzt, begrünt, als private oder gemeinschaftliche Aussenräume, als Solarium für die Bewohner des Hauses. Ganz oben dann Solarzellen, für die Stromund Warmwassererzeugung.
Die Mantelnutzung besteht aus Wohnungen unterschiedlicher Grössen und Qualitäten, innerhalb des Gebäuderasters modular aufgebaut und somit während der weiteren Planung an die Nachfrage anpassbar. Als Mehrbünder verfügen die Obergeschosse über zwei Treppenhäuser mit behindertengerechter Erschliessung. Das Treppenhaus an der Nordfassade ist über die Brachmattstrasse zugänglich, das Treppenhaus an der Westfassade über den Pfeffingerhof. Die Wohnungen haben grosszügige Wohn- und Essräume mit den so beliebten kommunikativen, offenen Wohnküchen. Die Badezimmer sind als Erweiterungen der Schlafzimmer angeordnet und mit diesen en-suite verbunden, wo immer möglich mit Fenstern zur natürlichen Belichtung und Belüftung. Alle Wohnungen verfügen über ein Kellerabteil und haben einen Waschturm in der Wohnung. Im Gebäude sind zudem vier Gewerberäume untergebracht, welche beispielsweise als Physiopraxis, Yogastudio oder Atelier genutzt werden können. In der bestehenden Villa wären statt der bestehenden Nutzung auch stilles Gewerbe oder ein Kindergarten möglich.
Eine Einheit – Tragwerk und Fassadenkleid
Die Sockelgeschosse des Gemeindesaals sind als Massivbau konzipiert. Für die Technik- und Kellerräume wird lokal ein Untergeschoss realisiert. Der Gemeindesaal wird mit einer Unterzugsdecke überspannt, diese dient zudem als Abfangdecke für die oberen Geschosse. Die Wohngeschosse über dem Gemeindesaal werden in Holzbauweise erstellt. Aufgrund des geringen Gewichtes ist dies vorteilhaft für die Abfangung. Das Tragwerk ist regelmässig und erlaubt einen weitestgehend direkten Lastabtrag bis zur Fundation. Die Stabilisierung des Gebäudes gegeben Erdbeben- und Windeinwirkungen geschieht über die zwei peripheren Erschliessungskerne und einzelne Wandscheiben im Gebäudeinnern. Es liegt kein geotechnischer Bericht vor. Es wird davon ausgegangen, dass das Gebäude mittels Fundationsriegeln flach fundiert werden kann. Die Baugrube kann aufgrund der Platzverhältnisse voraussichtlich frei geböscht werden.
Die Fassade zeichnet nach aussen einen Sockel, ein Mezzanin und die Attika. Der Sockel, das öffentliche Gebäude, ist aus verputztem Mauerwerk materialisiert. In den darüberliegenden Geschossen, wo sich die Wohnungen befinden, ist die Fassade aus Holz gefasst. Sie setzt sich aus vorgefertigten Elementrahmen aus einheimischem Holz zusammen, entweder mit Dämmung und einer elliptisch gebogener Ausfachung aus weiss lasierten Schindeln oder mit innen angeschlagenen, weiss gemalten «franzöischen Fenstern» und einem kleinen elliptischen Balkon ausgestattet. Die Attika, hinter welcher sich die Dachgäten oder Solarpaneele verbergen, ist gleichermassen materialisiert, sodass beim Blick zur Traufe der leichte, elliptische Schwung der Holzschindeln sichtbar wird und dem Haus eine Leichtigkeit und Festlichkeit verleiht.
Dichte Vielfalt und Vernunft
Vor nur wenig mehr als hundert Jahren noch ausserhalb des Dorfes gelegen, wird der Ort mit der neuen Gestaltung und Nutzung definitiv Teil des Ortskernes. Dort wird Dichte geschätzt und bedeutet Lebensqualität, mit kurzen Wegen und einer grossen Vielfalt an Eindrücken und Begegnungen. Daher wird auch hier mit diesem Projekt eine höchstmögliche Dichte angestrebt, baulicher und sozialer Art, mit der Koexistenz von Alt und Neu, und der sich überlagernden und ergänzenden unterschiedlichen Nutzungen. Der sorgsame und überlegte Umgang mit Ressourcen wie bestehender Baustruktur und knappem Boden, mit Baumaterialien und Betriebsenergie ist ökologisches Gebot und gleichzeitig ökonomische Vernunft.
Die Rahmenbedingungen des Quartierplanes werden durch das Projekt ausgenutzt, die maximal erlaubten Höhen und das Nutzungsmass erreicht. Die rationale Gebäudestruktur und die Kongruenz von Konstruktion und Ausdruck sowie ein relativ kompaktes Volumen sorgen für den sparsamen Einsatz von Baumaterialien, die möglichst lokal hergestellt und verarbeitet werden sollen. Die gute Dämmung der Gebäudehülle, sowie der Eintrag von Tageslicht und die Nutzung von Sonnenenergie zur Warmwasserbereitung und Stromerzeugung minimiert den Energiebedarf. Durch diese Massnahmen werden die Voraussetzungen geschaffen für eine mögliche Minergie-P-Eco Zertifizierung des neuen Gebäudes.