53 ECCENTRIC STRUCTURES IN EASTERN EUROPE

Eccentric Structures in Eastern Europe

Städtebauliche Studie, Ukraine, Georgien, Armenien, 2013

Fabian Kiepenheuer, Lukas Wolfensberger

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Im Rahmen einer mehrwöchigen Studienreise durch die Ukraine, Georgien und Armenien haben Kiepenheuer und Wolfensberger bis anhin nur teilweise oder gar nicht dokumentierte Bauwerke aus der späten Sowjet-Zeit von 1970 bis 1990 aufgesucht und fotografisch porträtiert. In einem Buch mit dem Titel „Eccentric Structures in Eastern Europe“ erörtern die Architekten die skurril anmutenden Trouvaillen, deren architektonische Qualität und stilistische Vielfalt sich deutlich von zeitgleichen brutalistischen Plattenbauten abheben und die graue Sowjet-Architektur in einem neuen Licht erscheinen lassen.

Die für Kiepenheuer und Wolfensberger spannend erscheinenden Objekte zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich in der architektonischen Qualität von denen in riesiger Menge errichteten Gebäuden aus der UdSSR-Zeit abheben. Trotz rigider Grundraster besitzen diese ein vielfältiges Formenvokabular und fallen durch ihre exzentrische Struktur auf. Es sind gewissermassen Ausnahmen.

In welchem Zusammenhang diese Bauten zum restlichen Europa zu verstehen sind, ist nicht vollständig klar. Die UdSSR hatte zu dieser Zeit nur begrenzt Kontakt zur westlichen Welt und die Architekten verfügten nur über bedingtes Wissen darüber, was sich ausserhalb der Sowjetunion abspielte. Es scheint jedoch offensichtlich, dass – wie übrigens auch im Fall von Kuba – mehr bekannt war, als die Regierung damals wahrhaben wollte.

Das Interesse am beschriebenen Thema erklärt sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund aktueller architektonischer Phänomene. Die Idee, ein Gebäude als Gesamtheit zu denken und zu verstehen, schwindet heute zunehmend. Die Struktur wird  immer mehr von der Fassade und den Innenausbauten separiert, wodurch der Architekt zunehmend von der Gesamtplanung eines Gebäudes entbunden wird. Dieses «Core and Shell» Verständnis wird durch den Wunsch nach Flexibilität und schneller Veränderbarkeit oft als die wirtschaftlich beste Lösung angesehen.

Gleichzeitig wird die Struktur zunehmend von Standardelementen und rigiden Rastern geprägt. So ist in zeitgenössischen Entwürfen vermehrt wieder eine «Ästhetik der Addition» feststellbar, die versucht Raster und Repetitionen zu verwischen und nach Nischen individueller Gestaltung sucht. Ansätze des Strukturalismus, wie sich durch simple Neuordnung von Standardelementen spannende Kompositionen und Raumabfolgen wie von selbst ergeben, scheinen aktueller den je zu sein.

Im ersten Teil des Buches beschreiben die Architekten die besuchten Bauten als Knochenhäuser oder als Körper, deren Skelett in unterschiedlicher Intensität, aber immer in roher und unmittelbarer Form in Erscheinung tritt. Durch diesen Vergleich wird eine typische Eigenschaft der Exzentrik offenbart: Die Abbildung der Struktur an der Fassade. Knochenhäuser können dabei in unterschiedlicher Form ihr inneres Skelett nach Aussen zur Schau stellen, je nachdem wie stark die Struktur einen Bezug mit der Äusseren Umwelt eingeht. Es lassen sich dabei unterschiedliche Typen unterscheiden: Monumentale Schwergewichte, Stadtkronen, ausscheerende Gebeine, Kimonohäuser, Festzelte, surreale Raumkulissen, einfache     Kisten und topographische Aufständerungen. Diese Typenhäuser sind nicht nur projektspezifisch von Bedeutung, sondern haben immer auch eine städtebauliche Relevanz. Aus diesem Grund beschreiben sie nicht nur sich selber, sondern auch ihren Bezug zur Stadt oder zur Landschaft.

Im zweiten Teil des Buches erörtern die Architekten, inwiefern diese exzentrischen Bauten das Gedankengut zeitgleicher Architektur in Europa und den USA teilen oder davon abweichen. Vor diesem Hintergrund diskutieren Kiepenheuer und Wolfensberger die Frage, ob politische, kulturelle und soziale Verhältnisse in einen Zusammenhang mit den markanten Formen dieser Bauwerke gebracht werden können.

 

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